Die Diagnose Hirntumor ist für Familien wie ein Donnerschlag

Die Diagnose Hirntumor ist für Familien wie ein Donnerschlag

Heute ist Welt-Hirntumor-Tag. Er soll die Öffentlichkeit auf die Situation von Hirntumor-Patient*innen aufmerksam machen.

Auch wir begleiten jedes Jahr einige Familien, in denen ein Kind oder auch Elternteil aufgrund eines Hirntumors schwer erkrankt. Sabine Zehentmeier, examinierte Kinderkrankenschwester, Palliativ Care und Case Managerin und seit 16 Jahren in der Stiftung AKM in Zusammenarbeit mit dem Palliativ Projekt „Kleine Riesen“ und der Sozialmedizinischen Nachsorge tätig, hat mit diesem Krankheitsbild in ihren vielen Berufsjahren beim AKM sehr häufig zu tun. Mit ihr haben wir anlässlich des Gedenktages gesprochen, und sie hat uns an ihren Erfahrungen teilhaben lassen.

Es kommt sehr plötzlich

Diverse Arten von bösartigen Hirntumoren sind für Sabine Zehentmeier die Hauptdiagnose, die sie beim AKM begleitet. Dabei sind die Kinder in jedem Alter – von „gerade auf die Welt gekommen“ bis zum 18. Lebensjahr. Das Schlimme ist bei dieser Erkrankung: „Man kann es nicht greifen, es kommt sehr plötzlich. Man hofft anfangs auf eine Lappalie, aber dann geht es sehr schnell vom Kinderarzt in die Klinik.“ Und dann werde die Erkrankung anhand diverser Untersuchungen auch zeitnah erkannt. „Die Diagnose ist meistens wie ein Donnerschlag für die Familien. Denn es muss gar nicht viel vorher passiert sein. Vielleicht mal eine Gangunsicherheit oder ein plötzliches Schielen oder Übelkeit, Erbrechen und Kopfschmerzen. Aber dann reißt es den Menschen eben den Boden unter den Füßen weg, wenn sie das Ausmaß dieser immer noch so unzureichend beherrschbaren Erkrankung erfahren.“

Trotz schwerer Diagnose zu Hause

Für sie ist es ein Segen, dass die meisten Kinder mit dieser Diagnose zu Hause bei der Familie sein könnten. „Ich bin sehr dankbar, dass Kinder von uns zu Hause versorgt werden können – zumindest da, wo es gewünscht und möglich ist. Dass sie eben nicht in der Klinik bleiben müssen. Und dass sie in den meisten Fällen auch zu Hause sterben dürfen.“

Manche bleiben besonders in Erinnerung

Sabine Zehentmeier sind sehr viele Kinder mit Hirntumoren in Erinnerungen geblieben. Ganz besonders erinnert sie sich aber an ein „kleines Mäuschen“, das nicht mehr lange zu leben hatte. „Die Eltern riefen mich in der Nacht an und baten mich, zu kommen, weil das Kind schon mit Pausen atmete. Dieses Atmen mit längeren Atempausen oder Atemgeräuschen ist für Angehörige sehr schwer anzuhören und zu ertragen. Das Kind lag auf der Couch und ich habe vorgeschlagen, aus Pippi Langstrumpf vorzulesen. Und das Buch geht ja damit los, „… dass Pippi glaubte, dass ihre Mama nun oben im Himmel sei und durch ein kleines Loch auf ihr Kind runterschaue, und Pippi winkte oft zu ihr hinauf und sagte: `Hab keine Angst um mich! Ich komm schon zurecht!´…“ – Das war sehr berührend in dem Moment – und während die Mutter vorgelesen hat, ist die Kleine gestorben. Das habe ich noch sehr lebendig in Erinnerung.“

Ein Hirntumor bedeutet große Veränderung

Sie durfte insgesamt schon viele sehr wertvolle, intensive Momente erleben. Aber auch viele belastende Situationen in den Familien, bei denen man sich dann doch auch immer wieder sehr hilflos fühlt. Gerade wenn die Erkrankung weit fortgeschritten ist. „Denn Hirntumore führen auch dazu, dass die Kinder sich körperlich, aber auch zum Teil von ihrem Wesen stark verändern, je nachdem, wo der Tumor eben sitzt. Sie können dann nicht mehr alleine gehen oder sitzen, brauchen Hilfe beim Essen, können zum Teil nicht mehr Schlucken und werden sprachlos. Das ist besonders belastend.“

Immer wieder beobachtet Sabine Zehentmeier dann aber etwas Besonderes: „Die Kinder, egal welchen Alters, haben ein Gefühl für ihre Angehörigen. Sie spüren, wer beim Sterben da sein soll und wann es passieren soll.“

Im Hier und Jetzt leben

Sabine denkt sehr oft an ganz viele und sehr besondere Familien, die ihr das Vertrauen geschenkt haben, sie eine Zeit lang zu begleiten. „Wenn ich in den Nachtdienst fahre und den Mond und die Sterne sehe, dann denke ich an ganz viele wunderbare, einzigartige Kinder da oben als glitzernde Sterne und ihre Familien hier, die ich nie vergessen werde. Man kann so viel von ihnen lernen: Tapferkeit, Mut, Geduld, Zuversicht, Lebenswillen, Stärke, sich nicht unterkriegen lassen – und im Hier und Jetzt zu leben. Blicke sagen häufig mehr als tausend Worte.“

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Jungs am FensterGesprächssituation, bei der sich zwei Menschen an den Händen halten