Sind Angehörige die besseren Pflegekräfte?

Eine pflegende Mutter erzählt 

Sind Säuglinge, Kleinkinder, Kinder oder Jugendliche von einer lebensbedrohlichen oder lebensverkürzenden Erkrankung betroffen bzw. liegt ein erhöhter Pflegeaufwand vor, übernehmen in der Regel die Eltern die Pflege. Es ist erstaunlich, wie viel Wissen sich pflegende Angehörige im laufenden Krankheitsprozess über die Erkrankung ihres Kindes aneignen. Sie verwenden im Gespräch Fachbegriffe, dessen sich ansonsten nur Fachpersonal bedient. Sie erlernen fachliche Fähigkeiten, die ansonsten nur bei Pflegefachkräften vorhanden sind. Zum Beispiel das Wechseln einer Trachealkanüle oder die Ernährung per Sonde.

Mit der Frage, ob Angehörige die besseren Pflegekräfte sind, haben wir uns an eine von uns durch die Angehörigenberatung begleitete Mama gewandt, die ihren Sohn Michi* seit zwei Jahren selbst zuhause pflegt – und bei ihr einmal genauer nachgehorcht:

Sind Angehörige die besseren Pflegekräfte?

„Diese Frage ist ganz schwer zu beantworten. Ich bin überzeugt, dass pflegerisches Fachpersonal sehr wichtig ist. Sie leisten wertvolle Arbeit. Andererseits ist ein pflegebedürftiges Kind für professionelle Pflegekräfte nur eine*r von vielen Patient*innen, die sie versorgen. Ich bin mit meinem Sohn mit grenzenloser Liebe verbunden und stecke mein ganzes Herzblut in seine Versorgung – für das Pflegepersonal ist das ein Job. Ich bin fachlich sicherlich nicht so stark – gerade wenn ich da an meine anfänglichen Ängste beim Sondieren denke, ohje! Aber ich bin in die Aufgaben hineingewachsen. Außerdem muss ich meine „pflegerischen Aufgaben“ anders als eine Pflegekraft nicht unter solch einem großen Zeitdruck erledigen, wie es so eine Person routinemäßig tun müsste. Für mich ist Michi der Mittelpunkt der Welt. Und ich kann mir zum Glück unbegrenzt Zeit für seine Pflege und Förderung nehmen.“

Mit Ihren persönlichen Erfahrungen – kommen pflegende Angehörige schneller an ihre Grenzen?

„Ich bin überzeugt davon, dass pflegende Angehörige schneller an ihre Grenzen kommen als ausgebildete Pflegefachkräfte. Mein Tag in der Pflege hat 24 Stunden, ich kann nach acht Stunden nicht die Türe schließen und morgen weitermachen. Ich bin in tiefer Liebe mit meinem Sohn verbunden, darum kann ich mich emotional nicht so abgrenzen wie professionelles Personal es schaffen würde – und dabei gebe ich immer alles. Michi bekommt meine ungeteilte Aufmerksamkeit. Außerdem erwarte ich von mir selbst sehr viel und hab einen sehr hohen Anspruch an mich. Ich will alles richtig, alles perfekt, alles 150-prozentig machen. Und Michi die bestmögliche Lebensqualität bieten. Darum kann es gut sein, dass ich schneller an meine Grenzen komme.“

Und was haben Sie als größte Belastung seit der Pflegebedürftigkeit Ihres Sohnes erlebt?

„Am schwierigsten war es für mich, die Situation so anzunehmen, wie sie ist. Die Tatsache, sich damit abzufinden, dass ich kein gesundes Kind haben werde, mit den damit verbundenen Auswirkungen auf mein Leben, meine Berufstätigkeit, auf das Leben mit meinem Ehemann. Und die Frage, die mich immer wieder beschäftigte und beschäftigt: Wieso mein Kind?

Mich belastet es auch, dass ich bei Arztuntersuchungen mit Michi immer wieder in die Lage komme, ihn festhalten zu müssen. Dabei will ich ihn gerade hier doch emotional unterstützen. Das bringt mich immer in einen inneren Konflikt. Und auch die Organisation des Alltags ist einfach eine Herausforderung. Es gibt fast keinen Tag, an dem ich keinen Termin mit Michi wahrnehmen muss. Freie Tage gibt es keine mehr.“

*Name wurde verändert

 

Vielen Dank an Michis Mama für die Einblicke, was es heißt, selbst ein schwerstkrankes Kind zu pflegen. Sie und alle anderen Betroffenen leisten jeden Tag Großes und legen dabei ihre emotionale Bindung nie ab – umso wichtiger ist es uns von der Stiftung AKM, Menschen wie ihnen unter die Arme zu greifen, wo wir können. Mit unserer Angehörigenberatung, mit einer Fachkraft für Kinderhospizarbeit, Ehrenamtlichen Familienbegleiter*innen, unseren therapeutischen und Nachsorge-Angeboten.

Damit das gemeinsame Leben und der schwierige Alltag an der ein oder anderen Stelle ein kleines bisschen einfacher werden.

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