Von Krisen und Trauer – und dem Umgang damit

Wenn eine schwerwiegende Erkrankung das Familienleben plötzlich komplett verändert

„Es fühlte sich an, als ob mir der Boden unter den Füßen weggezogen worden wäre. Alle Sicherheit war weg, unsere Träume zerplatzt… ein Gefühl wie in ein Loch zu fallen“, diese oder ähnliche Worte hört unsere Seelsorgerin Sandra Gassert oft, wenn ihr Eltern von dem Moment erzählen, in dem sie eine schlimme Diagnose erhielten, oder erfuhren, dass jemand, den sie lieben, lebensverkürzend erkrankt ist.

„Tatsächlich gehen die meisten von uns recht unbeschwert durchs Leben (Gott sei Dank!) und denken nicht daran, dass etwas Schlimmes geschehen könnte. Auch glauben wir modernen Menschen, dass wir unsere Leben im Griff haben und nach unseren Wünschen gestalten können. Das trifft auch zu – aber eben nicht immer“, so Sandra Gassert, die in der Stiftung AKM im Team der Prävention, Teilhabe und Krisenintervention Familien begleitet.

Jeder reagiert anders

Nach dem ersten lähmenden Schock der Diagnose beobachtet Sandra oft, dass Paare unterschiedlich reagieren. Ein Partner ist ganz „im Kopf“, durchleuchtet und analysiert die Situation und sucht nach Lösungsstrategien, der andere Partner ist ganz in der Emotion, „im Bauch“, weint und klagt. „Später kehrt sich diese Aufteilung im besten Fall um, denn es braucht wohl beides… Kopf und Bauch…. Um so einen Schicksalsschlag zu verarbeiten.“

Geschwisterkinder oder Kinder erkrankter Eltern (ab circa 5 Jahren) versuchen ihrer Erfahrung nach zu funktionieren. Sie sind lange Zeit brav und angepasst, wollen ihren Eltern nicht noch mehr Kummer und Sorge machen, bis der Schmerz ein Ventil braucht. Kleinere Kinder dagegen spüren, dass etwas nicht in Ordnung ist und reagieren häufig mit dem Wunsch nach Aufmerksamkeit.

„Auch Großeltern leiden mit, obwohl sie manchmal eher außen vor Erscheinen. Ich höre als Pfarrerin Sätze wie: Warum das Kind? Warum nicht ich? Aber auf solche Fragen gibt es keine Antworten.“

Nach dem Schock folgt die Trauer

Früher sprach man von Phasen der Trauer, die neben dem Schock, dem nicht wahrhaben wollen, auch Zorn, Auflehnung, Depression und schlussendlich Annahme umfasst. „Mir kommt Trauer mehr wie ein Kaleidoskop verschiedener Gefühle vor. Tiefe Trauer steht neben einem guten Moment, gefolgt Zorn, gefolgt von tiefer Traurigkeit. Trauer ist vielfältig und sie beginnt nicht immer mit dem Tod, sondern oft viel früher. Mit der Diagnosestellung zum Beispiel. Sie ist ein Weg, den wir alle in unserem Tempo gehen müssen. Abkürzungen gibt es keine. Und gute Ratschläge sind nicht angebracht.“

Doch was hilft? „Wenn jemand mitfühlend und wertfrei mitgeht, der auch die dunklen Phasen mitaushält und verlässlich da ist. Das versuchen wir in der Stiftung AKM.“

Was sonst noch hilft

„Das ist so unterschiedlich wie wir Menschen es sind, aber im Allgemeinen kann man sagen: ein gut geknüpftes soziales Netz fängt auf. Freunde, Familie, Kollegen. Menschen, die Ähnliches erlebt haben und verstehen, was in einem vorgeht. Sich getragen fühlen, das hilft“ erzählt Sandra.

Auch Bewegung tue gut, da sie uns in Kontakt mit unserem Körper bringt und die Gedanken fließen lässt. Daneben kann auch Glaube eine wichtige Kraftquelle sein. Sich etwas Größerem anzuvertrauen und zu wissen, dass man es nicht allein schaffen muss. „Manchmal kann man es auch nicht allein schaffen – und man muss das auch nicht. Denn unabhängig wie gut vernetzt, sportlich oder religiös eine Familie ist. Wir im Ambulanten Kinderhospiz München sind für sie da. Halten. Halten fest und halten mit durch. Das hilft!“

„Ein Eindruck braucht einen Ausdruck“

… das lernen unsere helfenden Ehrenamtlichen früh in der Ausbildung. „Unter dem Eindruck des (drohenden) Todes brauchen wir Menschen die Möglichkeit, das was uns bewegt, auszudrücken. Das können (therapeutische) Gespräche sein, Kunst, Bewegung, Musik, oder anderes. Wir in der Stiftung AKM versuchen in unseren vielfältigen Angeboten Raum für Ausdrücke zu schaffen.“

„Am allerbesten wäre es, wir würden niemals gebraucht werden. Aber so lange wir gebraucht werden, versuchen wir zu unterstützen und aufzufangen, wenn der Boden plötzlich nachgibt.“

Sandra Gassert, Pfarrerin und Seelsorgerin in der Stiftung AKM, im Februar 2022

Kontakt

Wenn Sie Fragen haben, zögern Sie bitte nicht uns zu kontaktieren.

Suchen

AngehörigenberatungUnsere Bunten Kreise