Was bedeutet der internationale Bewusstseinsmonat für Kinderkrebs für Sie persönlich und Ihre Organisation?
Prof. Dr. Michaela Nathrath: Wie der Name schon sagt: Dieser Monat ist wichtig, um ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass Krebs auch Kinder und Jugendliche betreffen kann, dann aber oftmals eine ganz andere, viel aggressivere Erkrankung darstellt als bei Erwachsenen.
Welche Fortschritte wurden in den letzten Jahrzehnten bei der Behandlung von Kinderkrebs erzielt?
Prof. Dr. Michaela Nathrath: Vor 50 Jahren verliefen Krebserkrankungen bei Kindern und Jugendlichen zumeist noch tödlich, heute werden über 85 Prozent der Patienten geheilt, eine fantastische Erfolgsgeschichte!
Welche Herausforderungen bestehen noch immer bei der Behandlung und Heilung von Kinderkrebs?
Prof. Dr. Michaela Nathrath: Für eine Heilung der zumeist hochmalignen Erkrankungen müssen oftmals intensive Chemotherapien eingesetzt werden, in Abhängigkeit von der Erkrankung, ggf. kombiniert mit Operation und/oder Strahlentherapie: Das bedeutet nicht nur belastende Nebenwirkungen während der Therapie, sondern auch das Risiko für Spätfolgen.
Welche neuen Therapiemöglichkeiten und Medikamente werden derzeit erforscht, um die Heilungschancen zu verbessern?
Prof. Dr. Michaela Nathrath: Das ist schwer pauschal zu beantworten. Grundsätzlich versuchen wir, die oben genannten intensiven Therapien mit sog. zielgerichteten, nebenwirkungsärmeren Therapien zu ergänzen, manchmal sogar zu ersetzen, um die Spätfolgen der Therapie zu verringern.
Wie können wir die Lebensqualität von „Kinderkrebs-Überlebenden“ langfristig verbessern?
Prof. Dr. Michaela Nathrath: Die Lebensqualität von Langzeitüberlebenden nach einer kindlichen Krebserkrankung ist ein wichtiges Thema, das uns Kinderonkolog*innen umtreibt. Was können wir tun? Die Therapien noch besser zu stratifizieren, d.h. entsprechend des individuellen Risikoprofils die Therapien maßzuschneidern, bessere, zielgerichtete Therapien zu finden sowie die Implementierung intensiver Nachsorge- und Vorsorgeprogramme.
Wie wirkt sich der Pflegenotstand in Deutschland auf die Versorgung der Patient*innen in der Pädiatrie aus?
Prof. Dr. Michaela Nathrath: Eine unzureichende Versorgung durch spezialisierte, kompetente und engagierte Pflegefachkräfte bedroht die medizinische Versorgung der Kinder insgesamt, so auch in der Kinderonkologie. So müssen immer wieder Betten geschlossen werden und die jungen Patientinnen und Patienten weiterverlegt werden. Das gefährdet die Heilungschancen auch der krebskranken Kinder.