29. Oktober 2025
Kindern trauern anders
Die Trauer behutsam begleiten: Was Kinder brauchen und welche Rolle das Alter spielt
Allerheiligen – ein Tag des Erinnerns. Für Erwachsene ein vertrautes Ritual, für Kinder oft ein Rätsel. Sie spüren, dass etwas Schweres in der Luft liegt, doch die Worte fehlen. Kinder gehen anders mit Verlust um: Manchmal leise, manchmal spielerisch und selten so, wie Erwachsene es erwarten. In unserer Arbeit erleben wir, wie vielfältig Trauer sein kann – und wie sehr sie vom Alter, von der Situation und vom Umfeld eines Kindes abhängt. Daher möchten wir Einblicke geben, Verständnis schaffen und Wege aufzeigen, wie Kinder und Jugendliche einfühlsam begleitet werden können.
Trauer ist eine natürliche Reaktion auf Verlust – aber sie zeigt sich je nach Lebensalter ganz unterschiedlich. Erwachsene erleben sie meist als durchgehenden Zustand, als eine Welle, die sie durchströmt. Kinder dagegen „springen“ oft zwischen Spielen, Lachen und Weinen hin und her. Fachleute nennen das „Pfützentrauer“ – weil Kinder immer wieder kurz eintauchen, dann aber auch schnell wieder im Alltag stehen können. „Kinder trauern nicht weniger tief, sie tun es nur anders – in Etappen, oft in Momenten, in denen wir es gar nicht erwarten“, erklärt Psychologin Katharina Schachtschneider, Abteilungsleitung Therapeutische Begleitung der Stiftung AKM. Kinder drücken ihre Trauer selten mit Worten aus. Stattdessen spiegelt sie sich in ihrem Verhalten: Sie ziehen sich zurück, reagieren aggressiv, leiden unter Schlafproblemen oder körperlichen Beschwerden. Erwachsene sollten diese Signale ernst nehmen, jedoch ohne sie zu bewerten.
Kleine Kinder bis zum Vorschulalter verstehen Tod meist nicht als endgültig. Für sie ist jemand, der „weg“ ist, vielleicht einfach „woanders“. Sie spüren aber sehr deutlich, dass etwas fehlt. Sie reagieren mit Verunsicherung, Angst oder Anklammern.
Klare, einfache Sätze können hilfreich sein. Oder zu erklären, dass die verstorbene Person nicht zurückkommt – aber in Erinnerung bleibt. Rituale geben Halt, wie eine gemeinsam gestaltete Kerze, ein Foto, ein gemeinsames Lied oder auch ein Gebet. Ab dem Grundschulalter beginnen Kinder langsam zu verstehen, dass Tod endgültig ist – und stellen viele konkrete, manchmal unbequeme Fragen. Gleichzeitig suchen sie Halt in gewohnten Abläufen und wollen „normal“ weiterleben. „Antworten Sie ehrlich, aber kindgerecht. Ich habe oft erlebt, dass Kinder besonders profitieren, wenn man ihnen auch Rückfragen stellt. Denn oft stehen hinter den Fragen der Kinder bereits Ideen, über die sie sich austauschen möchten. Lassen Sie auch Fantasie zu – sie ist ein wichtiger Teil der Verarbeitung“, rät Katharina Schachtschneider. Kreative Wege wie Malen, Schreiben oder eine Erinnerungsbox können dabei spielerisch helfen, Gefühle auszudrücken.
Jugendliche hingegen verstehen den Tod bereits intellektuell – emotional schwanken sie jedoch sehr stark. Manche ziehen sich zurück, andere suchen Nähe oder Ablenkung. Trauer trifft in dieser Lebensphase auf Themen wie Identität und Selbstständigkeit – das macht sie in dieser Altersgruppe besonders komplex. Gesprächsangebote sind wichtig, aber ohne Druck. Häufig sind die Kontakte zu Gleichaltrigen eine stabilisierende Säule. Jugendliche brauchen das Gefühl, selbst entscheiden zu dürfen, wann und wie sie über ihre Trauer sprechen. Beteiligung an Entscheidungen – etwa bei der Gestaltung der Trauerfeier – kann Heranwachsende in ihrer Verlustbewältigung stärken.
Egal in welchem Alter: Kinder brauchen Sicherheit, Ehrlichkeit und Menschen, die ihre Gefühle aushalten. Erwachsene sollten nicht versuchen, Trauer „wegzumachen“, sondern da sein – ruhig, verlässlich, echt. „Wir erleben oft, dass Erwachsene Kinder schützen wollen, indem sie über Tod und Verlust schweigen“, erzählt Bettina Mayer, Zentrumsleitung Niederbayern und Kinderhospizfachkraft. „Doch Kinder spüren, wenn etwas unausgesprochen bleibt. Es hilft ihnen mehr, wenn wir gemeinsam Worte finden“, ergänzt sie.
Wenn Eltern ein trauerndes Kind begleiten, kann es hilfreich sein, offen zu sprechen – auch über die eigene Trauer. Kinder lernen so durch ein Vorbild, dass Gefühle sein dürfen. Eine klare Sprache („Opa ist gestorben“ statt „Opa ist eingeschlafen“) und das Erlauben unterschiedlicher Gefühle werden von Psycholog*innen ebenfalls empfohlen: Traurigkeit, Wut, Lachen – alles darf nebeneinander bestehen. Auch das Pflegen von Ritualen kann Trost spenden: ein Licht zu Allerheiligen, ein Erinnerungsalbum, eine feste Zeit zum Reden. Routinen mit festen Tagesstrukturen geben Kindern Sicherheit.
Wenn Eltern das Gefühl haben, Unterstützung zu benötigen, können sie Hilfe bei Beratungsstellen, Trauergruppen und über die Angebote unserer Stiftung finden. Doch nicht nur im familiären Umfeld ist der richtige Umgang mit Verlust wichtig. Kinder trauern auch in Schule und Kindergarten. Veränderungen im Verhalten sind oft stille Signale. Pädagog*innen sollten Raum für Ausdruck, etwa durch Malen, Schreiben, kleine Gedenkaktionen oder auch Gesprächsrunden, schaffen. Zusammen mit Eltern und Kolleg*innen sollte das Kind gemeinsam begleitet und Überforderung vermieden werden. Kinder müssen nicht „die Klasse aufklären“, wenn sie das nicht möchten. Und als Freund*in? Zuhören, ohne sofort zu trösten oder zu erklären, ist ratsam. Stattdessen kann Alltag helfen: Gemeinsames Spielen, ein Ausflug – denn Normalität hilft beim Verarbeiten. Die verstorbene Person kann dabei genannt werden, denn Kinder merken meist, wenn jemand aus Angst schweigt. Oft hilft es den Familien, wenn sie in ganz praktischen Dingen im Alltag entlastet werden.
Kinder trauern anders – aber nicht weniger. Wer ihnen zuhört, sie ernst nimmt und ehrlich begleitet, schenkt ihnen die wichtigste Botschaft: Du bist nicht allein! An Tagen wie Allerheiligen begegnen sich Trauer und Hoffnung. Für Kinder kann das gemeinsame Gedenken ein wertvolles Ritual sein: Kerzen anzünden, über Erinnerungen sprechen, gemeinsam still sein. Solche Momente geben der Trauer einen Platz – und zeigen: Erinnern darf hell sein, nicht nur schwer. „Trauer bei Kindern ist kein kleinerer Schmerz – sie ist nur anders gestaltet. Wenn wir ihnen Raum geben, kann aus Trauer auch Trost entstehen“, so Katharina Schachtschneider.

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