„Dann bist du eine Hilfstante?!“

20 Jahre – 20 Menschen: Diana Sandmann

Diana Sandmann ist seit 15 Jahren ehrenamtliche Familienbegleiterin und hat den Aufbau des Ehrenamts bei der Stiftung miterlebt. Wir wollten von ihr wissen, welche Momente ihr besonders in Erinnerung geblieben sind, wie sich das Ehrenamt im Laufe der Jahre verändert hat und was ihr bei ihrer Arbeit manchmal schwerfällt.

Sie sind seit 15 Jahren ehrenamtliche Familienbegleiterin bei der Stiftung AKM? Wie kam es dazu?

Diana Sandmann: Ich machte damals eine psychotherapeutische Ausbildung bei der Kinderpsychologin Erika Schäfer. Während dieser Zeit verstarb das Kind einer sehr guten Freundin durch einen tragischen Unfall. Es war für mich unerträglich zu sehen, wie sie litt und dass es kaum Hilfe für sie und ihre Familie gab. Es gab damals noch viel zu wenig Anlaufstellen. Deshalb suchte ich nach Möglichkeiten, wie ich meiner Freundin und Menschen in einer ähnlichen Situation bestmöglich helfen konnte. Wie es der Zufall will, war in der nachfolgenden Ausbildungsgruppe eine Kinderkrankenschwester, die die Stiftung AKM kannte und mir davon erzählte. Daraufhin ging ich einfach zum AKM-Sommerfest ins Bratwurstherzl und kam mit dem Team vor Ort ins Gespräch. Ich war mir schnell sicher, dass ich dort ehrenamtlich tätig sein möchte. Allerdings hieß es, der Ausbildungskurs ist voll, ich müsse auf die Warteliste fürs nächste Jahr. Eine Woche später kam dann aber doch ein Anruf – und ich war drin!

Im Laufe der Jahre haben Sie viele Familien begleitet. Gibt es Momente, die Ihnen besonders in Erinnerung geblieben sind?

Diana Sandmann: Da gibt es sehr viele. Es ist vor allem immer der Mut und die Lebendigkeit, mit denen die Kinder – sei es nun das erkrankte oder auch das Geschwisterkind – die Situation annehmen. Wie etwa die 15-jährige Maria, deren kleinen Bruder ich viele Jahre betreut habe. Sie freute sich riesig, wenn ich ihr Nagellack oder Parfum mitbrachte. Sie konnte sich weder bewegen noch sprechen und hat doch – nur mithilfe ihrer Augenbewegungen am PC – ein Buch geschrieben. Oder ein Mädchen, das in Quarantäne im Krankenhaus lag, kaum Spielsachen hatte. Wir haben dann mit Desinfektionstüchern die Fenster geputzt und hatten beide einen Riesenspaß dabei. So etwas kann man nicht planen, das ergibt sich immer aus der jeweiligen Situation heraus und oft muss man aus dem etwas machen, was gerade da ist. Was mir auch besonders in Erinnerung bleibt, ist eine Begegnung mit den Nachbarskindern: Als ich auf dem Weg zu einer von mir betreuten Familie war, fragten sie mich, wer ich denn sei und was ich dort tue. Da musste ich tatsächlich erstmal selbst überlegen. Wie erklärt man Kindern, dass man vom ambulanten Kinderhospiz kommt? Ich zögerte kurz, und da meinte eines der Kinder: „Ach, dann bist du eine Hilfstante!“ Ich musste lachen, weil es für mich mit einem einfachen Wort genau das traf, was ich tue.

Es gibt sicher Ehrenämter, die weniger anstrengend sind. Was hält Sie nun all die Jahre schon bei dieser Tätigkeit, die ja sicher nicht immer einfach ist?

Diana Sandmann: Ich liebe Kinder, habe aber keine eigenen. Mein Leben war und ist schön, dafür bin ich sehr dankbar. Es macht mich glücklich und zufrieden, meine Kraft dahingeben zu können, wo sie gebraucht wird. Und ich darf viel von den Kindern und den Familien, die ich begleite, lernen. Wie zum Beispiel von dem 8-jährigen Geschwisterkind, dessen dreijähriger Bruder verstorben war. Es gab einen Platz im Wohn- und Essbereich, wo er immer gesessen hatte. Wenn der Bruder spürte, dass jemand in der Familie traurig war, oder er selbst weinen musste, weil sein Bruder nicht mehr da ist, setzte er sich genau auf den Platz seines Bruders, oder sagte zu anderen: Setz dich hier auf diesen Platz, hier kannst du traurig sein, hier darfst du weinen. Auch ich habe dort manchmal geweint, zwischen unseren Spielen.

Was empfinden Sie als besonders herausfordernd an diesem Ehrenamt?

Diana Sandmann: Manchmal ist es für mich eine große Herausforderung, zuzuschauen, wie Familienmitglieder ihre Pflichten versäumen, auf Grund eigener Probleme. Wir gehen in die Familien, um „da zu sein“ und die Situationen zusammen mit den Familien auszuhalten. Es gibt so manches Verhalten von Eltern, das ich persönlich nicht gut finde und wenn ich das Gefühl habe, das Kind leidet darunter, kommuniziere ich das auch an die Fachkräfte innerhalb der Stiftung. Aber ich bin nicht dazu da, dieses Verhalten zu bewerten oder gar zu ändern. Das fällt mir manchmal schwer.

Wie hat sich Ihrer Meinung nach das Ehrenamt in der Familienbegleitung im Laufe der Jahre verändert?

Diana Sandmann: Als ich als Ehrenamtliche anfing, waren wir zirka 20 Personen. Es herrschte damals ein unglaublich toller „Spirit“, wir machten jede Fortbildung mit, kannten uns alle untereinander, waren ein super Team. Heute arbeiten rund 200 Ehrenamtliche für die Stiftung, was natürlich wunderbar und erfreulich ist. Aber man kennt sich untereinander nicht mehr, der Austausch ist nicht mehr so eng. Außerdem werden die Ehrenamtlichen in meiner Wahrnehmung immer jünger, haben andere, neue Ansätze, als wir erfahrenen „Oldies“.

Wie haben Sie die Corona-Zeit als Familienbegleiterin empfunden? Da durften Sie ja nicht in die Familien.

Diana Sandmann: Ich half damals bei den Essensauslieferungen. Die Stiftung AKM bot mit Unterstützung der BayWa Stiftung betroffenen Familien die Möglichkeit, einmal die Woche ein warmes Mittagessen geliefert zu bekommen. Da war ich mit meinem Auto oft quer durch die ganze Stadt unterwegs, aber die Familien haben sich riesig gefreut.

Ihre Hündin Polina ist immer an Ihrer Seite. Geht sie auch mit in die Familien?

Diana Sandmann: Das kommt ganz darauf an, wie die Familie das möchte. Sie ist zwar eine ausgebildete Begleit- und Therapiehündin, aber wir richten uns da nach den Wünschen der Familie. Bei vielen Kindern ist tatsächlich sie der Star.

Wir haben dieses Interview unter Ihrem Lieblingsbaum – einer Hängebuche im Münchner Stadtteil Bogenhausen – geführt. Was verbinden Sie mit diesem Baum?

Diana Sandmann: Diese grüne Hängebuche „Pendula“ ist seit meiner Grundschulzeit mein Lieblingsbaum. Damals wie heute geht mir beim Anblick einfach das Herz auf, ob der prachtvollen Schönheit. Nach wie vor fühle ich mich beschützt, hole mir Kraft oder lasse meine Sorgen bei diesem Baum.

Danke, liebe Diana, für all dein Engagement, deine Zeit und deine Herzlichkeit! Wir sind sehr dankbar für all die unglaublich tollen Ehrenamtlichen, die uns die letzten 20 Jahre begleitet haben! 

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