„Die Familien werden allein gelassen“

Pressekonferenz in Berlin zur Versorgung schwerkranker Kinder in Deutschland

Am Freitag, 13. Oktober 2023, hat die Stiftung Ambulantes Kinderhospiz München (AKM) in Berlin zu einer Pressekonferenz eingeladen. Thema: „Kranke Kinder rechnen sich nicht?! Pädiatrie und Kinderhospizarbeit in der Versorgungskrise“. Anlässlich des am 14. Oktober 2023 stattfindenden Welthospiztages war es der Stiftung AKM ein Anliegen, auf die angespannte Situation in der Versorgung schwerstkranker Kinder und Jugendlicher in Deutschland hinzuweisen.

Neben Christine Bronner, Stifterin und geschäftsführender Vorstand der Stiftung AKM, waren weitere Vertreter*innen aus der Branche auf dem Podium: PD Dr. med. Irene Teichert-von Lüttichau, Oberärztin, Leitung des Schwerpunktes Kinderhämatologie/Onkologie, Leitung des Palliativprojektes „Kleine Riesen“ Kinderklinik München Schwabing, Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin, Eine Kooperation der München Klinik und der Technischen Universität München; Andreas Podeswik, 1. Vorstand Bundesverband Bunter Kreis; Peer Gent, Ehrenamtlicher Geschäftsführender Vorstand Deutscher Kinderhospizverein e.V., Geschäftsführender Vorstand der Stiftung des Kinder- und Jugendhospiz Sternenbrücke (Hamburg) und Gabriele Dostal, dostal & partner management-beratung gmbh.

Es fehlen 277 Pflegeeinrichtungen deutschlandweit 

Auf der Pressekonferenz stellte die Stiftung AKM erstmals auch gemeinsam mit der dostal & partner management-beratung gmbh die Ergebnisse der „Bundesweiten Studie zum Bedarf an ambulanten und stationären Angeboten in der spezialisierten Versorgung von Familien mit Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit lebensbedrohlicher oder -verkürzender Erkrankung“ vor. Darin wurde u.a. auch die Anzahl der ambulanten und stationären Versorgungseinrichtungen, die der (Palliativ-)Pflege von jungen Pflegebedürftigen dienen, identifiziert und pro Bundesland dargestellt. Aktuell konnten 720 ambulante und stationäre Pflegeeinrichtungen für die Zielgruppe identifiziert werden. Der Bedarf lag dagegen bundesweit bei (mindestens) 997 Pflegeangeboten. Es fehlen also rechnerisch 277 Pflegeeinrichtungen bundesweit, davon rund 208 ambulante Dienste und rund 69 (teil-)stationäre Einrichtungen. Die offenen Bedarfe unterscheiden sich von Bundesland zu Bundesland deutlich.

„Es ist beschämend“

Konsens aller Teilnehmer*innen war, dass es sehr schlecht um die Versorgung schwerkranker Kinder in Deutschland steht und die Lage dramatisch ist. „Es muss dringend ein Wandel stattfinden – in der Pädiatrie, in der Kinderhospizarbeit und in unserer Gesellschaft. Kinder spielen keine Rolle in unserem Land. Über kranke Kinder und die prekäre Situation in der Pädiatrie spricht niemand. Die Familien werden allein gelassen. Es ist beschämend“, erklärte Christine Bronner.

„Die Kinderheilkunde steht vor einer bedrohten Existenz, weil es für die Kliniken ein Nachteil ist, ein Kind zu behandeln. Das darf nicht sein. Kinder müssen unabhängig von wirtschaftlichen Erwägungen behandelt werden. Es ist eine gesellschaftliche Frage, vor der wir stehen: Wollen wir uns Kinder leisten?“, so PD Dr. med. Irene Teichert-von Lüttichau.

Pflege fällt zunehmend auf die Familie zurück

Angesichts der prekären Versorgungslage in der Pädiatrie werde das spezialisierte Versorgungsangebot für die besonders vulnerable Zielgruppe der Kinderhospizarbeit zukünftig von besonderer Bedeutung sein. Auf Grund des dramatisch zunehmenden Fachkräftemangels wird es ambulant und stationär jedoch immer schwieriger werden, Personal zu finden, das die schwerkranken Patient*innen (0-27 Jahre) adäquat versorgen kann. Damit fällt die Pflege zunehmend auf die Familien zurück. Immer mehr Kinder und Jugendliche müssen erkrankte Familienmitglieder pflegen („Young Carer“). Die Situation in den bereits hoch belasteten Familien spitzt sich zu. Eine kontinuierliche, spezialisierte Versorgung mit multiprofessioneller Betreuung wird deshalb zunehmend relevant.

Personalmangel in den Krankenhäusern 

Andreas Podeswik: „Bei den Ärzten gibt es genügend Anlaufstellen, aber in der Pflege sieht es anders aus. Wir stehen oft vor verschlossenen Türen, die Organisationen haben nicht genügend Personal. Die Familie leidet darunter enorm, auch die Geschwister. Wir müssen deshalb dringend in den Krankenhäusern dafür sorgen, dass dort umfassende interdisziplinäre Versorgung stattfinden kann. Es müssen Ressourcen zur Verfügung gestellt werden“, so Andreas Podeswik.

„Dramatische Situation im Bereich der Kinderkrankenpflege“ 

Peer Gent: „Es ist in den letzten 20 Jahren eine Menge an Unterstützungsstruktur für die Familien entstanden. Aber: Wir haben eine dramatische Situation im Bereich der Kinderkrankenpflege. Sowohl in der häuslichen als auch in der stationären Versorgung. Das führt dazu, dass Eltern wieder verstärkt ihre Kinder pflegen müssen. Das wiederum führt dazu, dass Familien nicht ins Kinderhospiz kommen, weil die Eltern selbst überlastet sind und psychisch erkranken. Das kann und darf nicht sein.“

PK Berlin
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