Zum Internationalen Kinderkrebstag

Tumor im Bauch: Ein Mädchen kämpft sich durch

*Namen, Wohnort und Herkunft der Familie wurden zur Wahrung der Privatsphäre verändert

Helena aus Traunreut ist dreieinhalb, als sie plötzlich über Bauchschmerzen klagt und nichts mehr essen mag. Ihre Eltern denken, es handele sich um eine Grippe. Doch weil die Schmerzen bei dem Mädchen andauern und sie kaum noch aufstehen will, entscheiden sie sich für einen Kinderarztbesuch. Zu dieser Zeit ist Mama Delia gerade mit ihrer dritten Tochter Laura schwanger, die mittlere Tochter Sara ist eineinhalb. Papa Markos hat gerade eine neue Arbeitsstelle angetreten.  

Bei der Untersuchung von Helena kann der Arzt jedoch nichts Genaues feststellen. „Wir wussten nicht, was los ist – die Vermutung fiel auf den Blinddarm, da Helena nicht hüpfen konnte“, erzählt ihre Mutter. Der Arzt entnimmt eine Blutprobe, bei der die Leukozyten-Werte sehr hoch sind – und empfiehlt der Familie, mit Helena umgehend ins Krankenhaus nach Traunstein zu gehen. Dort folgen weitere Untersuchungen. Helena weint viel und schreit, da sie keine Ärzte mag und Angst hat. Auch Ultraschall und MRT lässt sie nur ungerne über sich ergehen, doch es gelingt. Die Ärzte und Ärztinnen entdecken vergrößerte Lymphknoten im Bauch, und überweisen Helena wegen eines weiteren Infekts an das Dr. von Haunersche Kinderspital in München. Bereits jetzt machen sich ihre Eltern die schlimmsten Sorgen. 

„In München wurden wir in der Kinderonkologie aufgenommen. Vorher hat uns das Wort „Onkologie“ nicht einmal etwas gesagt – wir beide stammen aus Griechenland, und sprechen nur gebrochen deutsch. Es kam für uns wie aus dem Nichts und es war für uns das Ende der Welt, dass Helena in solch eine Station kommt. Überall waren Kinder ohne Haare oder im Rollstuhl“. Über eine Woche lang wird Helena dort untersucht, auch eine Biopsie mit Narkose ist notwendig. „Wir wussten nicht, was wir noch sagen sollten, alles zog sich, und keiner konnte herausfinden, was da genau ist – es fühlte sich schrecklich an. Wir wollten unsere Tochter einfach nur mit nach Hause nehmen. Helena hatte die Narkose nicht gut vertragen, und wurde danach sogar ohnmächtig. Wenn man so etwas nicht kennt, ist das furchtbar.“ Emotional ist diese Zeit für die werdenden Eltern eine große Belastung. 

Eine Woche später erhalten sie die Diagnose: Ein bösartiger Tumor nahe der Leber, der ganz selten ist. Im ganzen Bauch hat er bereits gestreut. Nur eine einzige Therapie soll helfen können. So geht es für die Familie schnell wieder ins Krankenhaus. „Es war ein Schock, wie im Horrorfilm. All die Eindrücke, Emotionen und die große Sorge um unsere Tochter.“ Ende Oktober 2020 startet die erste Chemotherapie, die Helena gut verträgt – doch sie hat erste Nebenwirkungen. Eine zweite, dritte und vierte Chemotherapie folgen – bereits bei der zweiten geht es Helena nicht mehr gut. Sie nimmt ab, isst nichts mehr, kann nicht mehr gehen, hat weitere Nebenwirkungen. Am Ende wiegt sie nur noch elf Kilo. So startet die Familie mit größten Sorgen um Helena ins neue Jahr.  

Im März 2021 ist klar: Die Chemotherapie hat gut angeschlagen, der Tumor hat sich verkleinert und es kann operiert werden. „Es war eine große mentale Herausforderung – die Geburt unseres dritten Mädchens stand unmittelbar bevor, als der OP-Termin feststand. Und ich sollte bei vielen Gesprächen mit den Ärztinnen und Ärzten dabei sein, da mein Mann sich aufgrund von Sprachbarrieren nicht so gut mit ihnen verständigen konnte. Helena wurde schließlich nur einen Tag nach der Geburt von Laura operiert.“  

Die Operation dauert über 12 Stunden, da es Komplikationen gibt. Für Helena geht es danach drei lange Wochen auf die Intensivstation. Knapp 12 Tage schläft sie, um die Schmerzen für sie erträglich zu machen. Als sie wieder wach ist, kann sie nicht gehen, muss viel getragen werden. Erschwerend kommt hinzu, dass nur Mama Delia zu ihr darf – die Coronabestimmungen lassen nichts anderes zu. „Der Moment, als ich mit Baby Laura zu Helena durfte, war unbeschreiblich. Helena hatte sich so auf das Baby gefreut, und hat so vieles verpasst. Sie mit Laura zu sehen, war traurig und schön zugleich. Sara, unsere zweite, konnte bei all dem leider nicht dabei sein.“ 

Noch einmal geht es für Helena nach Hause, bevor die letzte der vier Chemotherapien startet. Eine Hochdosis-Chemo, die für den Erfolg der Therapie ausschlaggebend ist. Doch Helena kann die angedachte Form der Therapie nicht machen, denn ihre rechte Niere funktioniert nicht mehr – Folgen der Operation. Nach vielen Telefonaten mit dem Tumorzentrum wird entschieden, dass nur ein weiterer Block der bisherigen Chemozusammensetzung in Frage kommt. „Das alles war für Helena mit nur einer funktionierenden Niere körperlich schwer zu ertragen. Sie hatte Nebenwirkungen, musste teilweise mit Maske atmen. Zwischendurch folgte auch noch eine Bestrahlung, die sie ganz ohne Narkose machte – da waren wir unglaublich stolz auf Helena. Eine weitere Narkose wäre aufgrund ihres Zustands einfach zu viel für sie gewesen.“  

Nachdem die vierte Chemo endet, ist der Tumor so klein, dass auch der gelegte Hickman-Katheter zur regelmäßigen Blutabnahme endlich herausgenommen werden kann. „Den Katheter mussten wir in der ganzen Zeit wöchentlich im Krankenhaus in München spülen lassen – das Hin- und Herfahren war unglaublich anstrengend. Wir waren in den eineinhalb Jahren generell kaum daheim, und meine beiden anderen Töchter waren viel bei der Oma – wir hatten eigentlich keine Zeit miteinander. Es tut mir bis heute im Herzen weh, dass die beiden viel zu kurz kamen und ihre Eltern kaum hatten.“ 

Im Frühjahr 2022 findet ein letztes Gespräch durch die Intensivbehandlung statt – Helena ist noch nicht geheilt. Doch es können keine Metasthasen mehr gefunden werden. Seither geht die Familie mit Helena regelmäßig zur Kontrolle mit Ultraschall und Röntgen. „Bisher wurde zum Glück nichts mehr gefunden. Im nächsten Januar werden es nun zwei Jahre. Je mehr Zeit vergeht, desto sicherer ist es, dass Helena gesund bleibt. Aber erst nach fünf Jahren können wir sicher von einer Heilung sprechen. Und auch die Schwierigkeiten mit der fehlenden Niere müssen wir noch in den Griff bekommen – da sind wir aktuell in Behandlung bei einer Kindernephrologin, eine Spezialärztin für Nierenerkrankungen. Man muss das gut beobachten und regelmäßig kontrollieren, weil auch die linke Niere nicht so funktioniert, wie vor der Operation“.  

Abgesehen davon geht es Helena heute aber gut – sie hat keine Einschränkungen, geht in den Kindergarten, kann Fahrradfahren und sagt ihre Meinung. Aber sie ist ein ängstliches Mädchen und muss vieles aufholen – auch an Körpergröße. Ihr fehlen eineinhalb Jahre Lebenserfahrung. Mit der Liebe ihrer Eltern und Geschwister ist sie dabei auf dem besten Weg. „Die Sorgen werden langsam weniger – aber vor den Kontrollterminen oder auch wegen der Niere sind die Gedanken immer wieder am Kreisen. Aber, es wird leichter und wir sind froh, dass es unseren drei Mädchen heute an nichts fehlt und sie so fröhlich sind. Wir können wieder gemeinsam in den Urlaub fahren oder andere ganz normale Sachen machen – dafür sind wir sehr, sehr dankbar. Und auch dafür, dass wir in all der Zeit nicht ganz alleine waren, denn es war echt schwer für uns!“ 

 

Unterstützung durch das Zentrum Südostoberbayern der Stiftung Ambulantes Kinderhospiz München 

Helenas Familie hat in der Zeit ab der Diagnose und bis heute viel alleine ausgehalten und gestemmt – nur das engste Umfeld wusste von der Krebserkrankung. Diese Entscheidung trafen die Eltern bewusst, aber leichter wurde es damit keinesfalls. Hilfe bekamen sie aber von der Stiftung Ambulantes Kinderhospiz München. Bei einem Baby-Erstaustattungstermin 2020 beim Landratsamt erzählte die schwangere Delia von ihrer Tochter Helena, die im Krankenhaus lag. Und erhielt dort den Tipp, sich an die Stiftung AKM und das Team im Zentrum Südostoberbayern zu wenden.  

Christina Schultz aus dem Rosenheimer Team der Stiftung begleitet die Familie seither und ist vor allem für Mama Delia eine Ansprechpartnerin – in schwierigen Momenten, zum Austauschen über ihre Sorgen und bei jeglichen Unsicherheiten, die die Eltern und ihre drei Töchter hatten und haben. Zuletzt hat sie dabei unterstützt, den Kontakt zur Nierenärztin aufzunehmen und einen Termin zu bekommen. „Wir Hauptamtlichen bauen um die Familien eine Art Gerüst, das sie, wann immer sie möchten, nach ihren Bedürfnissen zur Hilfe nehmen können“, so die Kinderhospizfachkraft. Auch jetzt noch ist Christina an der Seite der Familie, übernimmt im Notfall z. B. die Betreuung der Geschwisterkinder, wenn Delia mit Helena zu einem wichtigen Arzttermin muss. Sie ist einfach da, wenn sie gebraucht wird. 

Auch durch die Angehörigenberatung der Stiftung AKM erfährt Helenas Familie von Anfang an viel Unterstützung. Angehörigenberaterin Michaela Jenne-Eiser hilft Delia anfangs beim Ausfüllen von Anträgen für die Pflegekasse und zur Feststellung des Pflegegrades. Auch bei Antragsstellungen für Kostenübernahmen an die Krankenkasse ist sie an ihrer Seite und nimmt der nicht deutschsprachigen Familie hier eine enorme Last ab. „Ich musste mich eigentlich um nichts kümmern. Michaela hat das alles für uns gemacht. Ich konnte mich auf die Mädchen konzentrieren. Mehr Kraft hätten mein Mann und ich in der Zeit auch nicht gehabt. Markos war arbeiten, um unseren Lebensunterhalt zu finanzieren, und ich musste sämtliche Energien dafür aufbringen, um zu funktionieren. Um für unsere Mädels da zu sein.“ 

Daneben kann die Familie an den kostenlosen Angeboten der Teilhabeorientierten Nachsorge teilnehmen, die über die Stiftung in München organisiert werden – spezielle Gruppen für Eltern oder Geschwisterkinder, therapeutische Workshops und schöne Ausflüge, wie zuletzt eine gemeinsame Fahrt ins Legoland, bei dem Helena und ihre Schwestern einen ganz entspannten Tag verbringen konnten. 

„Mein Wunsch für betroffene Familien wie uns: Nehmt diese Hilfe an. Sie kann euch nur helfen, und schadet nicht. Alles, was die Stiftung für uns getan hat, war kostenlos. Noch viel mehr, sie hat uns durch diese schwere Zeit begleitet, wann und wie immer wir das brauchten. Das Team in Rosenheim war und ist immer erreichbar – es tut so gut, wenn du weißt, dass du nicht alleine bist.“ 

Ausflug der Familie ins Legoland

Über die Stiftung Ambulantes Kinderhospiz München (AKM) und das Zentrum Südostoberbayern

Seit 2004 betreut die Stiftung Ambulantes Kinderhospiz München (AKM) Familien mit unheilbarkranken und lebensbedrohlich schwersterkrankten Ungeborenen, Neugeborenen, Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen in München und ganz Bayern. Dabei wird das Team aus hauptamtlichen Ärzt*innen, Psycholog*innen, Krankenschwestern, Heilpädagog*innen, Therapeut*innen und Sozialarbeiter*innen von rund 300 Ehrenamtlichen in den Bereichen Familienbegleitung, Krisenintervention und Öffentlichkeitsarbeit unterstützt. Ziel soll es sein, den Familien in dieser schwierigen Zeit eine feste Stütze zu sein und Momente der Sicherheit, Geborgenheit und Normalität zu schenken.

Das Zentrum Südostoberbayern mit der Nachsorgeeinrichtung Bunter Kreis Rosenheim (Träger: Stiftung Ambulantes Kinderhospiz München) ist im Jahr 2018 aufgrund des wachsenden Bedarfs an Unterstützung und Betreuung von Familien mit schwersterkrankten Kindern und Jugendlichen in Rosenheim entstanden und begleitet Familien in ganz Südostoberbayern (Stadt und Landkreis Rosenheim, Landkreis Altötting, Berchtesgadener Land, Mühldorf a. Inn und Traunstein). Neben kürzeren Wegen für Familien und Helfer ist die Versorgung so den individuellen Bedürfnissen in der Region angepasst. Das Zentrum Südostoberbayern bietet das gesamte Leistungsspektrum der Stiftung AKM an. Von der Nachsorge über Angehörigenberatung bis hin zum Familienbegleitenden Kinderhospizdienst. Dabei arbeitet das Team eng vernetzt mit Kliniken, ärztlichen Fachkräften für Kinder- und Jugendmedizin, spezialisierten Fachdiensten sowie Behörden zusammen.

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