„Auf das Bauchgefühl hören“

Den eigenen Weg finden – Trotz schwierigen Starts ins Leben   

Wie die Sozialmedizinische Nachsorge der Stiftung AKM (Bunter Kreis Rosenheim) den Drillingseltern Andrea und Thomas zur Seite stand – und wie sie dabei ihren ganz eigenen Weg fanden.

Der kleine Johannes ist ein großer Kämpfer. Nicht mal 500 Gramm wiegt er bei seiner Geburt, er kommt mit drei Löchern im Herzen zur Welt – als Kleinster von insgesamt drei Geschwistern. Andrea und Thomas K. erzählen uns von den ersten drei Jahren mit ihren Drillingen Johannes, Sebastian und Vroni sowie dem älteren Geschwisterchen Agnes. Sie schildern, wie sie mit der permanenten Belastung umgehen, wie die Stiftung AKM unterstützt hat und was sie Eltern in ähnlichen Situationen raten.

Keine eindeutige Diagnose

Als Andrea und Thomas erfahren, dass sie Drillinge erwarten, ist die Freude groß. Die kleine Agnes ist da gerade mal eineinhalb Jahre alt und einer der ersten Gedanken der beiden: „Jetzt brauchen wir wohl ein größeres Auto.“ In der 16. Schwangerschaftswoche dann der Schock: mit einem der Drillinge stimme „etwas“ nicht. Die Ärzte bereiten die Eltern auf sämtliche Möglichkeiten vor, auch dass der kleine Junge schwer beeinträchtigt und vielleicht gar nicht lebensfähig sein wird. Auch die Option, das Leben des Kleinen im Mutterleib zu beenden – auch zum Wohle der beiden anderen Ungeborenen – steht dabei im Raum. Für die Eltern kommt dies allerdings nicht in Frage. „Das war keine Option für uns, auch wenn es wichtig ist, darüber zu sprechen. Aber wir wollten der Natur ihren Lauf lassen, zumal keine konkrete Diagnose vorlag.“ Zwar können die Ärzte relativ früh einen Herzfehler erkennen, welche sonstigen Beeinträchtigungen bestehen, ist allerdings unklar.

Mama Andrea erinnert sich in diesem Zusammenhang an die Aussage eines Chefarztes, an die sie in der Folge noch oft denken wird: „Er sagte zu mir: Das ist alles Kaffeesatzleserei. Er wollte damit ausdrücken, dass es doch oft auch anders käme und sichere Diagnosen – vor allem aber Prognosen – gerade bei kleinen Patient*innen sehr schwierig seien“, erklärt Andrea. „Das hat uns darin bestärkt, mehr auf unser Bauchgefühl als Eltern zu hören.“

Andrea musste ohnehin seit der 9. Woche die Schwangerschaft größtenteils liegend verbringen, jetzt kommen große Sorgen um die Gesundheit ihrer ungeborenen Kinder dazu. Sogenannte „Dorfhelfer*innen“ unterstützen die Familie in dieser Zeit im Haushalt. „Diese Unterstützung war uns eine große Hilfe, diese Helfer*innen sind allerdings recht rar“, sagt Papa Thomas.

„Wie ein unfertiger Vogel“

Am 2. Juli 2020 – inmitten der Corona-Pandemie mit all ihren Beschränkungen – kommen die Drillinge per Kaiserschnitt im Rosenheimer Klinikum zur Welt. „Sebastian ging es relativ gut, Vroni erlitt eine Hirnblutung, deren Folgen zunächst unklar waren und Johannes sah mit seinen nicht mal 500 Gramm aus wie ein unfertiger Vogel, der gerade geschlüpft ist“, erinnert sich sein Papa.

Für Johannes beginnt nun eine Zeit des Kampfes ums Überleben. Fast 200 Tage wird er nach seiner Geburt im Krankenhaus bleiben, mehrere OPs nach einem akuten Darmdurchbruch, künstliche Beatmung, Ernährung über eine Sonde und eine schwierige Herz-OP werden notwendig sein, um sein Leben zu retten. Die Eltern pendeln die gut 20 Kilometer zwischen der Klinik und zu Hause täglich hin und her. Dorfhelferinnen unterstützen weiterhin und doch bleibt kaum Zeit, sich ausreichend um die drei Geschwister zu kümmern. „Zeit zum Nachdenken bleibt da meist keine, und das ist eigentlich auch gut so. Man funktioniert einfach“, sagt Andrea.

Sozialmedizinische Nachsorge hilft beim Übergang nach Hause

Mitte Januar 2021 kommt Johannes zum ersten Mal nach Hause. Die Kinderkrankenschwester der Sozialmedizinischen Nachsorge vom Bunten Kreis Rosenheim sorgt dafür, dass der Übergang von der Klinik nach Hause gut klappt. Sie begleitet die Familie während einer Übergangszeit zu Arztterminen und hilft den Eltern, sich mit den Beatmungsgeräten, dem Überwachungsmonitor sowie der Sondenernährung zurecht zu finden und Sicherheit im Umgang mit der neuen Situation zu gewinnen. Auch die Angehörigenberatung der Stiftung steht der Familie bei Unterstützungsanträgen zur Seite. Bei der Frühchengruppe „Winzigklein in Rosenheim“ – initiiert von der Stiftung AKM / Bunter Kreis Rosenheim – kann sich Mama Andrea mit anderen Frühcheneltern austauschen: Kleine Bausteine, die alle helfen, im Alltag besser zurecht zu kommen.

Schwierige Entwöhnung von der Sonde

„Das Essen bzw. Nicht-Essen ist aktuell noch unser größtes Problem“, sagt Andrea heute. Ansonsten ginge es Johannes den Umständen entsprechend recht gut. Bis April 2022 wurde er noch über eine Sonde ernährt, die Entwöhnung lief über ein spezielles „Sondenentwöhnungsprogramm“. Seitdem isst Johannes Brei, doch das Kauen bereitet ihm nach wie vor Probleme. Deshalb steht als nächstes der Besuch einer „Esslernschule“ in Graz an. Diese wird nicht von der Krankenkasse bezahlt, doch die Eltern erhoffen sich davon einen weiteren großen Schritt in Richtung „normales Leben“. Der Kleine sei auf einem guten Weg. Physio-, Atem- und Sprechtherapie zeigen erste Erfolge.

Die Familie hat einen beschwerlichen Weg hinter sich. „Aufgeben war und ist aber keine Option“, sagen Andrea und Thomas. Dabei haben sie im Lauf der Zeit auch gelernt, den einen oder anderen gut gemeinten ärztlichen Rat kritisch zu hinterfragen und stattdessen auf ihr Bauchgefühl zu hören – immer das Wohl ihrer Kinder im Blick.

Wir wünschen der Familie von Herzen alles Gute auf ihrem weiteren Weg!

Das Bild (© Marina Bucher) zeigt neben Papa Thomas und Mama Andrea von links nach rechts Sebastian, Johannes, Agnes und Vroni. 

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