Mit Bedacht durch den §-Dschungel

Wie unsere Angehörigenberatung Familien bei Gutachten des Medizinischen Dienstes zur Seite steht 

Die Gutachterin des Medizinischen Dienstes (MD) ist auf die Minute pünktlich, sie wirkt zuvorkommend und freundlich. Entsprechend setzt sich die anfängliche Nervosität der Familie des kleinen Johann. „Insbesondere das Erstgutachten ist für alle Familien ein Stresstermin“, weiß Claudia Sterr, die als Angehörigenberaterin der Stiftung Ambulantes Kinderhospiz München (AKM) in Niederbayern über 70 Familien betreut, begleitet und berät.

Vorab klärt die erfahrene Fachkraft Familien mit einem pflegebedürftigen Kind daher über ihre Rechte und Auskunftspflichten auf, um sie bei der Beurteilung des Pflegebedarfs durch den Medizinischen Dienst bestmöglich unterstützen zu können. Ein Eingreifen zum Schutz der Familie ist im Gros der Fälle aber keineswegs nötig: Vielmehr prüft Claudia Sterr vor Beginn des Gutachtens nochmals alle im Vorfeld getätigten Angaben, gibt Tipps und stellt sicher, dass auch in der Aufregung alle notwendigen Dokumente wie das Vorsorgeheft oder der Arztbrief vorliegen.

Mehr Sicherheit und weniger Sorgen während des Gutachtens

„Während des Gutachtens sehe ich mich vor allem als psychosoziale Begleitung und Entlastung für pflegende Angehörige.“ So zeigt die Erfahrung aller Fachkräfte im Bereich Angehörigenberatung der Stiftung AKM, dass sich die zumeist jungen Familien im Beisein der Berater*innen wohler fühlen und angesichts deren geschulten Ohren keine Sorgen hegen, wichtige Äußerungen der Gutachter*innen überhört zu haben. Bei Familien mit Migrationshintergrund helfen Claudia Sterr und ihre Kolleg*innen ferner bei der korrekten Formulierung des Pflegeaufwandes. Insofern die Sprachbarriere ein entsprechendes Gespräch nicht zulässt, können die Pflegeberater*innen im Einverständnis aller Beteiligten auch für die betroffenen Familien sprechen.

Wie sind die Lebens- und Wohnverhältnisse der Familie? Wie mobil ist das betroffene Kind? Wie wirken sich verschiedene Therapiemaßnahmen aus? Wie ist der aktuelle Ernährungszustand? Wie häufig müssen Kinder- und Fachärzte besucht werden? Diese und viele weitere Fragen sind Teil einer zumeist etwa einstündigen Befragung der Eltern durch Gutachter*innen des medizinischen Dienstes Bayern und Medic Proof. Diese durchforsten auch die „U-Hefte“ nach relevanten Daten; beziehen den täglichen Pflegeaufwand in den entsprechenden Bericht mit ein. Bei Kindern über 18 Monaten werden darüber hinaus auch die kognitiven Fähigkeiten individuell betrachtet. Die Methodik variiert mitunter deutlich: Verlassen sich einige Gutachter*innen auf die Aussagen der Eltern, prüfen und beäugen andere beispielsweise die Wohnverhältnisse selbstständig. „Für die Familien ist erstere Vorgehensweise natürlich angenehmer. Auch weil nicht in die Privatsphäre des Haushaltes eingegriffen wird“, vertritt Claudia Sterr auch hier die Interessen Betroffener.

Corona erschwerte realistische Einschätzungen

Ein Unikum im Verlaufe der Covid19-Pandemie stellten telefonische Gutachten dar, die als einzig umsetzbare Möglichkeit verblieben waren. „Ein realistisches Bild war aber kaum machbar. Die Gutachter*innen mussten viele Fragen stellen, die sich bei persönlicher Anwesenheit erübrigt hätten. Das führte teils zu unangenehmen Situationen für die Familien“, resümiert Claudia Sterr die etwa zweijährige Phase. Ferner wurden aufgrund der Hygienevorschriften Wiederholungsgutachten ausgesetzt. Trotz aller Widrigkeiten waren die Angebote des Fachbereichs Angehörigenberatung in Niederbayern weiter nachgefragt und erwiesen sich auch im ungewohnten Modus als hilfreich für Betroffene, während andere Dienste ihren Betrieb in Präsenz vorübergehend einstellen mussten.

Hilfe auch bei Widerspruch

Doch mit dem Eintreffen des Gutachtens endet die Arbeit von Claudia Sterr mitnichten. „Leider kommt es vor, dass das Gutachten den tatsächlichen Pflegebedarf des Kindes nicht korrekt abbildet.“ In diesen Fällen prüft die Sozialpädagogin das rund sechzehnseitige Schreiben des medizinischen Dienstes auf Unstimmigkeiten und zeigt bei Bedarf Familien die Möglichkeiten des Widerspruchs, des entsprechenden Verfahrens und des Wiederholungsgutachten auf. Hat dieser Erfolg oder ein Wiederholungsgutachten wird angesetzt, dreht sich das Rad von vorne. Aber auch bei nachvollziehbaren Ergebnissen wird die Beraterin nicht untätig: Sobald der Pflegegrad festgesetzt wurde, beginnt sogleich die Leistungsberatung zur Gestaltung der Pflegesituation. Insofern sich der Pflegeaufwand verändert, empfiehlt Claudia Sterr Betroffenen, einen Erhöhungsantrag zu stellen und nicht auf das nächste reguläre Wiederholungsgutachten zu warten.

Dabei ist die Begleitung von Gutachten des Medizinischen Dienstes aber stets nur eine Blume in Strauß an Angeboten, den der Fachbereich Angehörigenberatung der Stiftung AKM für die Familien bereithält. Weitere Informationen und den Kontakt zu unserer Angehörigenberatung finden Sie hier.

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