Mit einem geflickten Herz ins Leben

Zum Tag des herzkranken Kindes 2022

Statistisch gesehen kommen jedes Jahr etwa 6000 bis 8000 Kinder in Deutschland mit einem angeborenen Herzfehler zur Welt. Etwa die Hälfte davon muss ein- oder mehrmals am offenen Herzen operiert werden (Quelle: Kinderärzte im Netz).

Eine Diagnose, die für jedes Elternteil bedrohlich wirkt. Sie wirbelt die Vorstellungen vom Zusammenleben mit einem gesunden Kind zu Beginn kräftig durcheinander. Gleichzeitig gehen die Eltern damit auf einen schwierigen Weg mit vielen Ängsten um das Leben ihres Kindes. Mit unserer Sozialmedizinischen Nachsorge begleiten wir betroffene Familien, die aus dem Deutschen Herzzentrum München zu uns kommen.

Diagnose: Univentrikulärer Herzfehler

Der Handlungsbedarf bei Kindern mit angeborenen Herzfehlern ist in den meisten Fällen akut. Sie müssen oft direkt nach der Geburt verlegt und operiert werden. „Viele angeborene Herzfehler sind univentrikulär. Das heißt, das Herz ist fehlgebildet, hat nur eine Kammer. Gefäße verlaufen nicht richtig und das beeinträchtigt die Lunge und den ganzen Körperkreislauf. Für die Eltern ist solch eine Diagnose in der Schwangerschaft bzw. direkt nach der Geburt ein großer Schock“, erzählt Meike Rädel, Leitung des Bunten Kreises München und der Sozialmedizinischen Nachsorge in München.

Und das nicht unberechtigt: Denn bereits in ihren ersten Tagen auf der Welt müssen sich die Babys schweren Operationen unterziehen. Selbst wenn in Fachkliniken wie dem Deutschen Herzzentrum München täglich solche komplexen Herz-OPs durchgeführt werden, finden sie doch am empfindlichsten aller menschlichen Organe statt.

Drei schwierige Operationen in kurzer Zeit …

„Nach der ersten Operation müssen sich die Kinder erst einmal möglichst gut im Krankenhaus erholen. Wenn sie stabil genug sind, können sie auch nach Hause. Um einen annähernd normalen Herzkreislauf herzustellen, sind aber mindestens drei Operationen nötig. Die erste OP findet bereits in den ersten Lebenstagen statt, nach drei Monaten die nächste und mit ca. 1,5 Jahren die dritte, je nach Zustand des Kindes. Und auch das Thema Gewicht spielt dabei immer eine große Rolle“, erzählt Meike. „Die Kinder müssen zur nächsten Operation ein gewisses Körpergewicht mitbringen, vorher können sie nicht operiert werden. In all der Zeit müssen sie mehrmals täglich verschiedene Medikamente einnehmen, gerade dann, wenn künstliche Elemente im Herz eingesetzt wurden.“

Kritische Phasen für Kind und Eltern

Nach drei Operationen ist das operierte Herz in der Regel gut belastbar. Vorher kann es aber abhängig von den Herzgefäßen durchaus zu schwierigen Situationen kommen: Stents zum Offenhalten der Gefäße können sich verschließen und das Blut ist viel sauerstoffärmer als normalerweise. „Das merkt man den Babys mit schweren Herzfehlern auch an. Ihre Lungen sind nicht so belastbar und auch das Trinken ist anstrengend. Die meisten Kinder erholen sich nach den überlebensnotwendigen Operationen dann aber doch gut und können relativ gut mit den operierten Herzen Leben. Ihr Gedeihen und Entwickeln ist jedoch immer etwas kritisch“, erzählt Meike Rädel.

Und auch für die Eltern sind all die Eindrücke und Erlebnisse schwierig. „Die Babys sind nach den OPs an dicke Schläuche und viele Kabel angebunden und müssen teilweise länger in einem künstlichen Schlaf bleiben. Ein belastender Anblick. Gerade ist auch Corona noch ein zusätzlicher Belastungsfaktor. In den Kliniken gibt es derzeit nur kleine Zeitfenster, in denen Besuch möglich ist“, so Meike. Und auch auf der Intensivstation ist das Zusammentreffen schwieriger als sonst. Für Eltern aus weiter entfernten Regionen dienen dann zumindest Unterkünfte wie die Ronald McDonald Häuser dazu, dass Mama oder Papa näher bei ihren Kindern sein können. Hier haben sie die Möglichkeit, sich mit anderen Betroffenen auszutauschen – vielen hilft das und Freundschaften können entstehen. Gleichzeitig sind sie so oft wochenlang von zuhause weg, lassen Familie und das gewohnte, kraftgebende Umfeld hinter sich.

Ein schwerer Start ins Leben

Weil das Herz nicht gut arbeitet, sind Babys mit einem Herzfehler meist nicht sehr belastbar und schaffen es nicht, genug zu trinken. Viele bekommen daher eine Magensonde, über die sie mit hochkalorischer Nahrung ernährt werden. Zusätzlich überwacht ein Monitor den Herzschlag und den Sauerstoffgehalt im Blut. „All die Schläuche und Geräte machen das Kennenlernen und den Bindungsaufbau zwischen Eltern und Kind in der Klinik und später auch zuhause schwer“, so Meike Rädel.

Sie und ihre Kolleginnen aus der Sozialmedizinische Nachsorge sind in der Zeit nach den Operationen viel in den Familien, begleiten und leitet sie an – und versuchen, den Eltern ihre Sorgen zu nehmen. Schlechtes Essen, nicht Gedeihen, Angst um das eigene Kind – all das setzt die Eltern sehr unter Druck. Wir von der Stiftung helfen ihnen, dem entgegenzuwirken. Auch bei der Verabreichung von Medikamenten unterstützen unsere Kolleginnen. Etwa, wenn Dosierungen nicht klar sind oder es aufgrund sprachlicher Barrieren zu Verwechslungen kommen könnte.

Daneben sind unsere Kolleg*innen immer im Austausch mit den niedergelassenen Kinderkardiolog*innen. In regelmäßigen Fallbesprechungen ziehen sie außerdem auch eine/n Kinderkardiolog*in oder Fachärzt*in oder eine Kontaktschwester aus dem Münchner Herzzentrum mit hinzu, die die einzelnen Herzkinder gut kennen und beurteilen können.

Die Stiftung AKM in enger Zusammenarbeit mit dem Herzzentrum München

Jeden Monat übernehmen wir von der Stiftung AKM etwa ein bis zwei Familien in unserer Sozialmedizinischen Nachsorge mit der oben genannten Diagnostik aus dem Herzzentrum München. Dazu kommen weitere Fälle in den regionalen Zentren. Die sogenannten „Herzkinder“ begleiten wir oft viel länger als andere Nachsorgekinder, weil der Bedarf und die Belastung der Familien so groß sind.

Zudem ziehen wir je nach Fall in der Begleitung immer auch unsere anderen Fachbereiche hinzu: Unsere Angehörigenberatung, die die Eltern etwa bei Anträgen für den Pflegegrad unterstützt. Oder unsere Kolleg*innen der Therapeutischen Kurzintervention, gerade bei besonders heiklen  Herzoperationen oder dann, wenn die Kinder trotz Operation versterben, weil ihr kleines Herz einfach zu stark geschädigt ist.

 

Allen „Herzkindern“ und ihren Eltern und Geschwistern senden wir zum heutigen Tag des herzkranken Kindes unsere Gedanken, wärmende Sonnenstrahlen und eine herzliche Umarmung!

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