Was unser Kinderhospizdienst tut, wenn ein Kind verstirbt

So begleitet die Stiftung AKM betroffene Familien

Kinderhospizarbeit beginnt mit der Diagnose einer lebensbedrohlichen oder unheilbaren Krankheit bei einem Ungeborenen, Neugeborenen, Kind, Jugendlichen oder jungen Erwachsenen. Sie erstreckt sich oft über viele Jahre. Und auch wenn wir uns gerade dann vielmehr als Lebensbegleitung sehen, versterben in einigen Fällen die betroffenen Kinder am Ende. Auch dann und darüber hinaus sind wir da und begleiten die Familien – so lange sie es wollen.

Was wir konkret tun, wenn der Zeitpunkt gekommen ist, an dem ein Kind verstirbt, beschreibt unsere Zentrumsleitung Südostoberbayern, Renate-Weininger Fischer, anhand einer durch uns begleiteten Familie*.

Eine kurze Beschreibung der Situation

Anton ist das vierte Kind einer alleinerziehenden Mutter. Mit drei Jahren erkrankt er an einer akuten lymphatischen Leukämie und wird chemotherapeutisch behandelt. Nach einem halben Jahr erleidet er einen Rückfall. Drei Monate später werden Anton Stammzellen von seiner Mutter transplantiert. Das Kind ist ein halbes Jahr symptomfrei, bevor wieder ein erneutes Rezidiv diagnostiziert wird. Die Mutter ist verzweifelt, hat große Sorge, dass ihr Kind sterben wird. Anton ist mittlerweile fünf Jahre. Nach erneuter chemotherapeutischer Behandlung kommt Anton nach langem Krankenhausaufenthalt nach Hause. Er wirkt agil und sehr fröhlich. Doch diese Phase dauert nur sechs Wochen, bevor die bösen Zellen zurückkommen. Zusammen mit einem SAPPV-Team (spezialisierte ambulante pädiatrische Palliativversorgung) begleitet die Stiftung AKM die Familie, bis Anton stirbt. Auch jetzt noch – nunmehr neun Monate nach dem Tod des Kindes.

Anton ist schwerkrank – wir sind da und halten es mit aus

Schon beim Kennenlernen erzählt Antons Mutter unserer familienbegleitenden Kinderhospizfachkraft, welch große Angst ihr das Wissen um den Tod ihres Sohnes macht. Unsere Kollegin ist für sie da, hört zu und bestätigt ihr, dass sie alles richtig macht und alles für ihr Kind tut, was sie kann. „Wichtig ist hier, die Situation nicht zu beschönigen, nicht zu verharmlosen oder gar Floskeln zu verwenden, wie etwa „das wird schon wieder“. Es geht darum, ehrlich zu sein und die Situation aushalten zu können“, so Renate Weininger-Fischer. „Es geht um die psychosoziale Begleitung: Dasein, Zuhören, Verständnis zeigen, Ruhe ausstrahlen, Schweigen können. Und es geht darum, Ressourcen zu aktivieren und zu koordinieren, also z. B. herauszufinden, wer noch unterstützen kann.“

Das gesamte Familiensystem wird einbezogen

Wichtig ist es uns auch, die gesamte Familie mit einzubeziehen. Die familienbegleitende Kinderhospizfachkraft versucht, eine Beziehung zur 6-jährigen Schwester von Anton aufzubauen. Sie gehen gemeinsam auf den Spielplatz, malen und spielen miteinander. „Das Mädchen soll das Gefühl haben, dass es wahrgenommen wird, dass es wichtig ist, dass es Fragen haben darf“, erzählt Renate. Auch die beiden jugendlichen Geschwister sind für ein Gespräch mit unserer Kollegin bereit, weil sie das ihrer Mutter versprochen haben. Weitere Gespräche wollen sie aber nicht. „Hier geht es darum, die Jugendlichen ernst zu nehmen und ihre Bedürfnisse und ihre Autonomie zu respektieren.“ Und auch die Großmutter von Anton nimmt unsere Gesprächsangebote an. Sie sollen ihr Sicherheit und Stabilität geben.

Über den sozial-emotionalen Stand der einzelnen Familienmitglieder und wer mit ihr wie ins Gespräch gegangen ist, berichtet unsere Kinderhospizfachkraft wiederum Antons Mutter, als sie mit Anton nach einem langen Krankenhausaufenthalt wieder zuhause ist.

Anton geht es wieder schlechter …

Antons Mutter spürt, dass es nicht gut um Anton steht. Auch hier sind unsere Aufgaben ehrlich sein, zuhören können, lieber leise sein als gutmeinend Phrasen aussprechen. „Wir sind da, ohne die Situation ändern zu wollen. Es darf so sein wie es ist, auch wenn es noch so grausam erscheint. Die Familie hat viel Stärke in sich. Sie finden ihren eigenen Weg, mit ihrem Schicksal umzugehen“, betont Renate. Entscheidend seien Akzeptanz und Würde für die Situation und das Schicksal der Familie.

… und es wird klar, dass Anton bald gehen wird

Als feststeht, dass Anton bald sterben wird, gibt seine Mutter vor, wie sie seine letzte Lebensphase gestalten möchte. „Das kann auch wechseln, kann auch ambivalent sein. Auch das darf sein. Für die Mutter war klar, dass Anton auf der Palliativstation sterben soll. In diesem Fall war es der Mutter sehr wichtig, schon zu diesem Zeitpunkt mit dem Bestatter Kontakt aufzunehmen und den Sarg auszusuchen. Die Mutter war sehr geschäftig. Und es war gut. So hatte sie das Gefühl, etwas tun zu können.“ Das heißt, unsere familienbegleitende Kinderhospizfachkraft bestätigt die Mutter in ihren Entscheidungen auch hier, bremst sie nicht ein, begleitet sie nach Wunsch zum Bestatter – akzeptiert ihre persönliche Bewältigungsstrategie und trägt diese mit.

Auch als Anton auf die Palliativstation kommt, ist die Familie dabei – und wir sind für sie erreichbar, drängen uns aber nicht auf. „Sterben ist ein intimer Prozess. Wir wollen diesen Prozess, den die Familie erlebt, nicht stören“, so Renate.

Ein letzter Atemzug …

Anton stirbt auf der Palliativstation im Kreis seiner Familie. Seine Mutter hält ihn dabei im Arm, so wie sie es sich gewünscht hat. Noch ganz in dem Geschehen eingehüllt gibt sie uns telefonisch Bescheid, dass Anton gestorben ist. Sie erzählt am Telefon, wie sie die letzten Stunden mit Anton, ihren anderen Kindern und der Großmutter verbracht hat. Und sie erzählt, wie sie Anton gewaschen hat und zusammen mit ihrer 6-jährigen Tochter in den Sarg gelegt hat. „Auch hier hören wir zu und bestätigen die Mutter in ihrem Tun. Wir bieten ihr Unterstützung und Hilfe an, mischen uns aber nicht ein.“

… und mit ihm Abschied und Trauer

Die Vorbereitungen für das Begräbnis laufen. Da Antons Familie nur über sehr wenig Geld verfügt, sind die Kosten ein großes Problem. Mithilfe eines Sozialberichts können wir die Familie unterstützen und die Kosten übernehmen – eine große Entlastung für die Familie. Natürlich sind wir auch beim Begräbnis mit dabei – wenn die Familie sich das wünscht.

Was dann bei allen Familien folgt sind Trauer und Schmerzen – für die meisten unendlich groß. Auch Antons Mutter zieht sich zurück. „Auch dann versuchen wir, den Kontakt zu halten und mit viel Feingefühl zu signalisieren: Wenn Sie mich brauchen, bin ich da!“

Die Zeit heilt keine Wunden!

Mehr als ein halbes Jahr ist seit dem Tod von Anton vergangen. Das erste Weihnachtsfest ohne Anton steht bevor. Der Kontakt zur Familie seit dem Begräbnis war mäßig. Die Mutter wollte keinen Kontakt. Weihnachten ist für Antons Mutter dann so emotional, dass sie plötzlich jemanden zum Reden braucht. Seitdem ist unsere familienbegleitende Kinderhospizfachkraft regelmäßig in der Familie und begleitet die Trauerphase, die so lange dauert, wie sie dauert. „Phrasen und Floskeln in der Trauer sind unangebracht. Auch hier sind wir an der Seite der Angehörigen, hören zu, gehen mit ihnen – und tragen ihre Trauer mit. Was wir uns für sie wünschen: Die Trauer darf sich in erinnernde Liebe wandeln.“

 

*sämtliche Namen und Angaben wurden zum Schutze unserer Familien verändert

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