Kinder sind keine kleinen Erwachsenen

Fachtag zur spezialisierten Versorgung lebensbedrohlich erkrankter
Kinder und deren Familien

Gemäß einer Langzeitstudie haben in Deutschland von 10.000 Kindern und Jugendlichen 32 Anspruch auf eine Versorgung und Begleitung im Rahmen der Kinderhospizarbeit und der pädiatrischen Palliative Care (Fraser et al. 2001). Neuere Erkenntnisse im angelsächsischen Raum gehen sogar von 61 Kindern und Jugendlichen pro 10.000 aus (Fraser et al. 2021). Etwa 5800 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene bis 25 Jahre verstarben 2022 bundesweit, zum Beispiel bei der Geburt, durch Unfälle oder an lebensbedrohlichen oder lebensverkürzenden Erkrankungen. Die Zahl der tatsächlich Versorgten liegt dabei aber deutlich unter der Inzidenz. Blanke Zahlen, die den Mehrbedarf an ambulanten und teilstationären Strukturen in jenem spezialisierten Versorgungsfeld verdeutlichen. Bei der Veranstaltung „Versorgung von lebensbedrohlich erkrankten Kindern und deren Familien“ des Health Care Bayern e.V. im Haus ANNA Eichendorf standen diese und weitere Erkenntnisse im Vordergrund.

Nach einem Impulsvortrag von Georg Lindinger von der Universität Bayreuth zum Thema Begleitung lebensbedrohlich erkrankter Kinder und Erwachsener und der Maßgabe „Herberge des Lebens“ übernahmen Prof. Dr. Irene Teichert-von Lüttichau und Christine Bronner das Wort. Diese referierten im Namen der TU München und der Stiftung Ambulantes Kinderhospiz München (AKM) über die spezialisierte Versorgung der Zielgruppe lebensbedrohlich erkrankter Kinder und Jugendlichen.

Ein Drittel weniger Betten als 1991

Etwa 30 Teilnehmende hatten sich im fachkundigen Publikum im teilstationären Kinderhospiz Haus ANNA Eichendorf, als dessen Träger die Stiftung AKM auftritt, zusammengefunden und beschäftigten sich fortan mit den Bedarfen der Zielgruppe. Prof. Dr. Irene Teichert-von Lüttichau – Leiterin der Kinderonkologie der TU München und Vorstand der Stiftung Kinderklinik München-Schwabing wartete hierbei mit beunruhigenden Zahlen aus der Pädiatrie auf: Von Aktuell 629 Betten könnten derzeit aufgrund des enormen Fachkräftemangels nur 409 belegt werden. Gleichzeitig sei infolge einer leicht steigenden Geburtenrate die Zahl der relevanten Fälle um 4,4 Prozent gestiegen. Entsprechend seien rund ein Drittel weniger Betten verfügbar als noch 1991.

Um diesen Herausforderungen zu begegnen, dürfen lebensbedrohlich erkrankte Kinder und Jugendliche jedoch nicht wie kleine Erwachsene behandelt werden, wie Christine Bronner – Stifterin und geschäftsführende Vorständin der Stiftung AKM – mehrfach betonte. Vielmehr brauche es eine angemessene Vergütung der Vorhaltekosten, mehr ambulante und teilstationäre Angebote, weniger Bürokratie und mehr Digitalisierung.

Im Fokus steht die ganze Familie

Schließlich besteht die Zielgruppe dieser spezialisierten Versorgung bei aktuell etwa 14,2 Millionen Menschen unter 18 Jahren in Deutschland aus mindestens 50.000 Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Diese werden entsprechend der Maßgaben der Kinderhospizarbeit ab der Diagnose bis zur Genesung oder zum Tod und auch darüber hinaus begleitet. Eingeteilt werden die Fälle in der pädiatrischen Palliative Care dabei nach ACT: Gruppe eins beschreibt Erkrankungen, für die eine kurative Therapie existiert, deren Ausgang jedoch fraglich ist. Gruppe zwei umfasst Fälle, bei denen ein frühzeitiger Tod unvermeidlich ist. Gruppe drei beinhaltet progrediente Erkrankungen, Gruppe vier irreversible, aber nicht progrediente Fälle, zum Beispiel schwerste Mehrfachbehinderung.

In Ihrer Summe legen diese Fälle einen massiven Mehrbedarf an ambulanten und teilstationären Strukturen nahe, da sich insbesondere im klinischen Setting der Mangel an belegbaren Betten eröffnet. Weitere Themen, mit denen sich Christine Bronner und Prof. Dr. Irene Teichert-von Lüttichau in ihrem kurzweiligen Beitrag beschäftigten, waren traumatische Krisen, soziale Risiken im Krankheitsprozess, das Risiko Migrationshintergrund und die Multiprofessionalität. In allen Bereichen der Begleitung werde aber stets der Fokus auf die gesamte Familie gerichtet: Zur Kontrolle der Symptome, zur Sicherung des Kindeswohls, zur Prävention psychischer Folgeerkrankungen, aber auch zur Entlastung der Familie im Alltag.

Von dieser Entlastung im Alltag konnten sich die Anwesenden im Anschluss an eine Fragerunde auch noch selbst ein Bild machen: Im Rahmen einer Führung durch das Haus ANNA Eichendorf erläuterte Daniela Safajoo, Pflegedienstleiterin der Kinderhospiz & Junges Wohnen Haus ANNA gGmbH, das fachliche Konzept des Hauses, aber auch die bisherigen Erkenntnisse und Erlebnisse seit Eröffnung des Pilotprojektes im September 2023.

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